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Fridolinsfest in Bad Säckingen - oder doch eher Volksfest?

Liebe Mitbrüder
Geschätzte, liebe kirchliche und weltliche Autoritäten
Liebe Verehrerinnen und Verehrer des hl. Fridolins
Liebe Schwestern und Brüder in Bad Säckingen
Bekanntlich ist im 6./7. Jh. der irische Mönch Fridolin aus seiner Heimat aufgebrochen. Er ging zuerst nach Poitiers und anschliessend hat er das Doppelkloster hier in Bad Säckingen gegründet. Es freut mich sehr, mit Ihnen heute sein Fest feiern zu dürfen. Er ist gleichzeitig Schutzpatron des Kantons Glarus in der Schweiz, der Teil des Bistums Chur ist, wo ich Bischof bin.
Was hat den hl. Fridolin bewegt und angespornt, als Wanderprediger Haus und Heimat zu verlassen und zu uns zu kommen? Ich würde meinen: Er war getragen von einer grossen Hoffnung. Von der Hoffnung, dass jedes menschliche Herz die Erwartung des Erlösers in sich trägt, auf der Suche seiner Liebe ist, selbst wenn man sich dessen nicht bewusst ist, also ohne es zu wissen. Hier passen die Worte des hl. Paulus an die Gemeinde in Rom, die wir in der 2. Lesung gehört haben, sehr gut: «Nahe ist dir das Wort in deinem Mund und in deinem Herzen». Ein Apostel des Herrn bringt im Grunde das, was – vielleicht unbewusst – jeder Mensch im Tiefsten erwartet. Keimhaft ist diese Erwartung in jedem Menschen vorhanden. Diese Erwartung zu erwecken, zu fördern und zum Blühen zu bringen, ist der Weg der Evangelisierung.
Im Herrn Geliebte, als Christinnen und Christen sind wir alle eingeladen, dazu berufen, Pilger der Hoffnung zu sein, wie das Leitmotiv des diesjährigen Heiligen Jahres lautet. Unsere Welt braucht dringend Evangelisatorinnen und Evangelisatoren, die die frohe Botschaft des Herrn überall hinbringen. Der Glaube ist keine Privatsache, sondern ein Geschenk, das wir grosszügig – vor allem mit unserem Lebenszeugnis – weiterschenken sollten.
Im heutigen Tagesgebet haben wir nicht nur um die Gnade, in der Erkenntnis Jesu Christi voranzuschreiten, gebeten, sondern auch um die
„Kraft, seine Erlösungstat durch ein Leben aus dem Glauben sichtbar zu machen“.
Rein menschlich werden wir hier mit einer titanischen, unermesslichen, unsere menschlichen Kräfte übersteigenden Aufgabe konfrontiert. Wie könnte unser Leben, unser Verhalten das Erlösungsverhalten des Herrn eins zu seins sichtbar machen? Selbst wenn wir uns bis zur totalen Hingabe anstrengen, wird unser Verhalten nie das Verhalten Jesu Christi widerspiegeln.
Heute ist auch der 1. Fastensonntag: Die Umkehr, zu der wir in der Fastenzeit eingeladen sind, muss demzufolge anders aussehen. Heutzutage funktionieren viele Geräte mit Batterien. Wenn die Batterien schwach werden, müssen wir sie ersetzen, sonst kann man das bestimmte Gerät nicht mehr gebrauchen. Wir sind alle immer mehr daran gewöhnt, mit Handys, mit Computern, mit Elektrozahnbürsten usw. zu leben, welche dank eines Akkus funktionieren. Man muss den Akku immer wieder aufladen. Mit der Zeit aber verliert der Akku seine Wiederaufladbarkeit. Inzwischen gibt es bekanntlich auch immer mehr Elektroautos, welche – um den Akku aufzuladen – regelmässig mehrere Stunden an eine Steckdose angeschlossen werden müssen.
Wir könnten uns vorstellen, dass die Umkehr in der Fastenzeit in etwa einem Batteriewechsel gleichkommt oder dass die Fastenzeit eine Zeit ist, um unseren Gnaden-Akku aufzuladen. Das ist schön, aber nicht ausreichend. Wenn wir die Alten bleiben, nur mit einer neuen Batterie oder einem neu aufgeladenen Akku, wird die Batterie wieder alt, wird der Akku irgendwann seine Aufladbarkeit verlieren. Nur Christus ist das Leben selber. Nur er hat das Leben in sich. Nur er braucht keine Batterie, keinen Akku, noch weniger eine himmlische Steckdose. Die Umkehr, die Christus uns anbietet, der wirkliche Glaube an das Evangelium, bedeutet im Grunde Umkehr von uns selber und auf Christus hinzuleben, was soviel bedeutet wie für andere da zu sein. Die Versuchungen Jesu in der Wüste und die Art, wie er sie besiegt hat, machen uns deutlich, wie der Sieg über die Selbstbeschäftigung und Selbstzentriertheit aussehen kann.
«Der Mensch lebt nicht vom Brot allein» widersprach Jesus dem Satan.
Nein, wir leben nicht vom Brot allein, sondern vom Brot, das wir mit den anderen teilen. Es ernährt uns, wenn wir beitragen, dass andere sich ernähren können. Den Hunger der anderen zu sättigen, schafft Zukunft, das sichert die eigene Existenz. Dazu passt wunderbar ein Gebet, das Mutter Teresa von Kalkutta zugeschrieben wird:
«Herr, wenn ich Hunger habe,
schicke mir jemanden, der Nahrung braucht.
Wenn ich Durst habe,
schicke mir jemanden, der nach einem Trank lechzt.
Wenn ich friere, schicke mir jemanden, dem ich Wärme spenden kann.
Wenn ich Unannehmlichkeiten habe,
zeige mir jemanden, den ich trösten kann.
Wenn ich arm bin,
führe mich zu jemandem, der Not leidend ist.
Wenn ich mutlos bin,
schicke mir jemanden, dem ich Mut machen kann.
Wenn ich keine Zeit habe,
gib mir jemanden, dem ich für einige Augenblicke helfen kann.»
Versuchen wir in dieser Fastenzeit die Versuchungen, denen Jesus aus-gesetzt wurde, wie er – in seiner Nachfolge – zu besiegen.
Der Teufel bot ihm an, ihm alle Reichtümer der Erde zu geben, wenn er ihn anbeten würde. Wir kennen die Antwort Jesu:
«Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.»
In jedem Menschen können wir die Gegenwart Gottes erkennen: In jedem Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Nationalität, Kultur und Religion; besonders in jenen, die diskriminiert, ignoriert, vertrieben, alleingelassen, verfolgt und ungerecht behandelt werden. Ehrfürchtig vor den Bedürftigen niederzuknien, ist das, was Gott bestimmt am meisten gefällt.
Bei der dritten Versuchung schlug der Teufel Jesus vor, etwas ganz Spektakuläres zu tun, so würden ihn die Menschen bewundern und von ihm begeistert sein. Die Reaktion des Herrn kennen wir. Nicht Aufsehenerregendes bringt uns im Glauben weiter, sondern die bescheidene Redimensionierung des eigenen Bildes und der eigenen Bedürfnisse, unsere Bereitschaft, die Grösse und das Ansehen Gottes und der anderen zu fördern. Die Dienstbereitschaft an jenen, die keine Stimme in der Welt haben, ist das Qualitätssiegel einer echt katholischen Kirche. Nochmals mit Worten von Mutter Teresa ausgedrückt:
«Wenn ich nur an mich denke,
lenke meine Aufmerksamkeit auf Menschen in Not.
Wenn ich das Verständnis der andern benötige,
gib mir jemanden, der des meinigen bedarf.
Wenn es nötig ist, dass sich jemand um mich kümmert,
schicke mir jemanden, für den ich sorgen kann.
Wenn ich gedemütigt werde,
mach, dass ich jemanden loben kann.
Wenn mein Kreuz schwer auf mir lastet,
lass mich das Kreuz eines andern tragen.»
Gestützt auf Hoffnung, brach der hl. Fridolin auf und konnte seinen Traum verwirklichen, in den Herzen der Menschen die Liebe Gottes zu entfachen. Ich kann es mir nicht verkneifen, hier noch ein Wort von Papst Franziskus aus seiner vor kurzem erschienen Biografie zu zitieren: «Die Hoffnung ist vor allem die Tugend der Bewegung, der Motor der Veränderung: Sie ist die Spannung, die Erinnerung und Utopie verbindet, damit wir daraus tagtäglich jene Träume verwirklichen können, die uns erwarten. Und wenn ein Traum an Kraft verliert, dann müssen wir zurückkehren, um ihn von Neuem zu träumen, in neuen Formen, sodass wir der Glut der Erinnerung mit unserem Hoffen neues Feuer einhauchen.»
Möge uns der hl. Fridolin beistehen, damit wir zusammen den Traum des Evangeliums träumen und so überall hingehen, um Hoffnung, Zuversicht, Geschwisterlichkeit und Frieden zu bringen. Amen
Bad Säckingen, 8. März 2025
Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur
Grusswort des Bischofs
Hochgeschätzter Herr Bürgermeister und geschätzte Staatsbehörden
Hochgeschätzte kirchliche und politische Autoritäten am Hochrhein und aus dem Kanton Glarus
Lieber Herr Stadtdechant und Münsterpfarrer Peter Berg
Geschätzte Gäste, geschätzte Damen und Herren
Für die Einladung heute hier mit Ihnen das Fridolinsfest zu feiern und für Ihre Gastfreundschaft möchte ich Ihnen ganz herzlich danken. Mit Ihnen zu feiern, bereitet mir grosse Freude und ist ein Zeichen dafür, dass wir auf beiden Seiten des Rheins sehr verbunden bleiben. Man könnte sagen, dass diese Strömung uns nicht trennt, uns nicht voneinander abgrenzt, sondern vielmehr uns verbindet.
Als Bischof von Chur und Apostolischer Administrator – sozusagen Päpstlicher Verwalter – diverser ehemaliger Konstanzer Diözesangebiete ist es mir wie gesagt eine wahre Freude, heute bei Ihnen in Bad Säckingen zu weilen und mit Ihnen zusammen das Fest des hl. Fridolin zu begehen.
Säckingen, wie der Ort bis 1978 hiess, gehörte mit seinem eindrucksvollen Bau des Fridolinsmünsters, des ehemaligen Damenstifts (gegründet 6./7. Jh., säkularisiert 1806), zum enorm weit gestreckten Bistum Konstanz. Ebenso Teil dieses Bistums war das Gebiet des heutigen Kantons Glarus bei uns in der Schweiz. Sie sehen: Das ehemalige Bistum Konstanz verbindet uns mehr als wir ahnen. Im November 1678 errichtete der Konstanzer Bischof zur besseren Verwaltung seiner „Schweizer Quart“ auch ein eigenes Kommissariat für den Stand Glarus (bis 1824), nachdem der katholische Rat im seit der Reformation paritätischen Glarus den Bischof darum ersucht hatte. Der Kommissar war gleichzeitig Pfarrer in Glarus oder in Näfels und besass für seinen Distrikt die Ehegerichtsbarkeit.
1815 löste die römische Kurie das gesamte Gebiet der „Schweizer Quart“ von der damals noch existierenden Diözese Konstanz ab und unterstellte das Territorium einem Apostolischen Administrator in der Person des Stiftspropstes von Beromünster. Als dieser 1819 starb, wies man die „Schweizer Quart“ vorerst gesamthaft dem Churer Bischof zur weiteren Administration zu – jedoch in der Hoffnung, bald möglichst geeignete Lösungen in der Zuteilung zu finden. Diese Lösungssuche gestaltete sich viel schwieriger als die Zuordnung der deutschen Gebiete des 1821 untergegangenen Bistums Konstanz. Säckingen kam damals zur neuen Erzdiözese Freiburg i. Br. (gegründet 1821). Der Kanton Glarus hingegen schwebte in eine provisorische Zukunft, die eigentlich bis heute andauert: Der Bischof von Chur ist bis zum heutigen Tag Verwalter ehemaliger Konstanzer Gebietsanteile, die seit 1819 noch keine definitive Zuteilung erfahren haben: so der Kanton Uri (ohne Ursern), die Kantone Ob- und Nidwalden, Zürich und eben Glarus.
So komme ich als Bischof von Chur und Verwalter des „Landes des hl. Fridolin“ (= Glarus) zu Ihnen nach Bad Säckingen und freue mich, so in der historischen Verbindung zu stehen, die Säckingen und Glarus gemeinsam zum Bistum Konstanz aufweisen.
Ich glaube, dass wir alle, vor allem als Christinnen und Christen, heute vielmehr denn je das Verbindende und nicht das Trennende betonen und pflegen müssen. Die katholische Kirche kennt keine Grenzen. Unsere Kirche ist eine weltumfassende, alle unabhängig von Herkunft, Hautfarbe Sprache, Nationalität und Konfession sind Kinder Gottes und bilden zusammen die Familie seiner Kinder. Die Welt braucht Eintracht, Frieden und Einheit. Wir setzten uns alle sicher ein, damit Konfrontationen, Kriege, Trennungen, Diskriminierungen, ideologische Nationalismen und Imperialismen und Aggressionen überwunden werden können. Unser heutiges Zusammenfeiern ist ein schönes Beispiel der Eintracht und so wünsche ich allen Gottes reichen Segen für all das, was uns verbindet.
Bad Säckingen, 8. März 2025
Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur