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Die Predigt zum Krankensonntag in Herrliberg

Liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder
Darf ich heute Reklame für Calgon machen? Ich gehe davon aus, dass Sie alle wissen, was Calgon ist: ein Mittel, das verhindert, dass z.B. in den Waschmaschinen Kalkablagerungen entstehen. Wenn das nämlich geschieht, kumuliert sich dort allerlei Dreck, der die Wäsche schmutzig macht und am Schluss geht die Maschine kaputt. Wenn man ganz schön mit einem weichen Lappen jedes Mal nach dem Waschgang die Oberfläche der Waschmaschine reinigt und zum Glänzen bringt, aber kein Entkalkungsmittel verwendet, das im Innern der Maschine wirkt, nützt die Schönheit der Oberfläche nicht viel. Es ist ähnlich wie mit unseren Arterien und Venen, mit unseren Blutgefässen: wir können schon die Körperfassade auffrischen, Lifting machen, allerlei Makeup benützen, uns Schönheitsoperationen unterziehen, aber wenn wir nicht aufpassen, werden unsere Arterien dennoch verkalkt. Wir müssen vorbeugen, verhindern, dass im Innern, in der Tiefe Schmutz und Verstopfungen entstehen.
Nun aber genug mit dieser Einleitung. Der langen Rede kurzer Sinn: Am Schluss des heutigen Evangeliums haben wir die Aussage des Herrn gehört: „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor; und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor. Denn wovon das Herz überfliesst, davon spricht sein Mund.“
Im Herrn Geliebte, diese Woche beginnt die Fastenzeit. Es ist gerade eine Zeit, um mutig zu schauen, was im Innern unseres Herzens vorgeht. Kosmetika und Pflege der Fassade reichen nicht aus. So betrachtet, ist die Fastenzeit eine wunderbare Zeit für eine echte Erneuerung und Verjüngung. Es geht darum, dass wir aufrichtig und ehrlich, mutig und voll Zuversicht unser Herz und unser Gewissen überprüfen. Wir können dabei nur gewinnen. Die Fastenzeit ist die beste Zeit für eine gründliche Renovierung. Die heutigen Lesungen geben uns eine gute Grundlage dafür.
Jesus spricht von dem, was im Herzen ist, wovon das Herz voll ist. In den kommenden Wochen können wir uns die Frage stellen: Wofür und für wen schlägt mein Herz wirklich? Was macht mich glücklich? Bestimmte Sachen, Objekte, Materielles oder der Umgang, die Nähe von bestimmten Menschen? Was erwarte ich von den Mitmenschen? Was bin ich bereit, für sie zu tun? Erfreue ich mich an Materiellem oder Spirituellem? Schätze ich vor allem geistige Werte oder begnüge ich mich mit Vergänglichem und Kurzlebigem?
Sollten wir uns nicht fragen: Ist mein Herz frei von Vorurteilen, von nachtragenden Gedanken? Versuche ich mich, von unbeherrschten Fantasien zu befreien?
Im Buch Jesus Sirach werden drei Anregungen zur Sprache gebracht, die uns bei unserer Gewissenserforschung gut helfen können: „Im Sieb bleibt, wenn man es schüttelt, der Abfall zurück; so entdeckt man den Unrat eines Menschen in seinem Denken.“ Wie sieht unser Denken aus? Ist unser Denken ganz mit uns selber beschäftigt oder besitzen wir genügend Sensibilität, um Nöte, Erwartungen, Hoffnungen, Wünsche, Engpässe anderer wahrzunehmen? Ist unser Denken, das heisst unser Verstand, unser Wille genug stark, um die Gefühle, die Leidenschaften, die Triebe unter Kontrolle zu haben? Denken wir, bevor wir handeln? Besonnen, nicht überstürzt, überlegt und ausgewogen zu handeln, sind wichtige Voraussetzungen, um uns herum Frieden und Heil zu stiften.
Aus dem Buch Jesus Sirach haben wir weiter gehört: „Der Brennofen prüft Töpferware und die Erprobung des Menschen geschieht in der Auseinandersetzung mit ihm.“ Auf Besuch oder bei einem freudigen Anlass sind alle Menschen sympathisch. Wenn aber Engpässe kommen, in Auseinandersetzungen, in spannungsgeladenen Situationen, bei Problemen und heiklen Umständen, ja erst dann wird die Beständigkeit unseres Charakters geprüft. Wie reagieren wir im Umgang mit anderen Menschen? Wohlwollend, geduldig, verständnisvoll, ohne Aggressionen, ohne Launen?
Sehen Sie, liebe Brüder und Schwestern, wie wir die Adern unserer Persönlichkeit reinigen können! Vor manchen Jahren hat eine Baufirma als Motto gehabt: „Renovieren, statt demolieren“. Das könnten wir uns als Motto für die Fastenzeit zu Eigen machen. Es geht um eine tiefgründige und zugleich ehrliche Renovierung, was uns im Grunde zu mehr Einfühlsamkeit, mehr Glück und tieferer Freude führen wird.
Nun zum letzten Abschnitt der heutigen Lesung: „Den guten Boden eines Baumes bringt seine Frucht zum Vorschein; so das Wort die Gedanken des Herzens.“ Hier haben wir eine letzte Anregung, um uns nicht unbedacht vom Äussern eines Menschen begeistern zu lassen oder vielleicht umgekehrt – aufgrund einer trockenen Art – bald ein negatives Urteil zu fällen. Es gibt Menschen, die ein goldenes Herz haben, man braucht aber ein bisschen in die Tiefe zu gehen, um es entdecken zu können. Eine solche „Forschungsarbeit“ bzw. Entdeckungsreise lohnt sich immer.
Darf ich noch etwas hinzufügen: Beide heutigen Lesungen sprechen im Grunde von der gegenseitigen Beeinflussung zwischen Innerem und Äusserem. Was wir im Herzen tragen, beeinflusst unsere Aussagen und auch unsere Werke. Auch was draussen, um uns herum vorliegt, bzw. geschieht, beeinflusst unser Inneres: Ein gutes Beispiel, ein guter Rat, eine gute Predigt, die Sympathie und Nachsicht eines Freundes, die Nähe und Zuneigung in der Partnerschaft ermutigen uns, besser zu werden, sozusagen eine Veredelung des eigenen Herzens zu wagen. Die Krankensalbung, die wir heute empfangen, ist äusserlich etwas Winziges: ein wenig geweihtes Öl und ein paar Worte. Es geht aber in Wirklichkeit um ein Zeichen der Linderung, des Trostes, des Heiles, welches aufgrund der Heilskraft Jesu, das Innerste des kranken Menschen erreicht. Es ist wie ein Resett, das durch das Zeichen des Sakramentes in der Tiefe des Herzens stattfindet. Man wird frisch, erneuert und frei von erlittenen Enttäuschungen, vom schlechten Gewissen, von Groll, Zweifel, Ressentiments und innerer Not; und – wenn Gott es will – auch körperliche Gesundheit mit sich bringt. Lassen wir uns von Gott berühren. Amen
Herrliberg ZH, 2. März 2025
Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur