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Hilfe zur Selbsthilfe
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Botschaft der Schweizer Bischöfe und Territorialäbte zum Schweizer Tag der Kranken 2025
Am «Schweizer Tag der Kranken», der in der Schweiz traditionell am ersten Märzsonntag begangen wird, stehen kranke, betagte und beeinträchtigte Menschen im Mittelpunkt – und mit Ihnen alle Pflegenden, Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, die zu ihrer Genesung und zu ihrem Wohlbefinden beitragen. Ihnen allen gilt hohe Anerkennung für die verantwortungsvollen Aufgaben in ihrem Berufsalltag.
«Heil werden, gesund werden» ist das Ziel aller medizinischen Kunst. Das Leben setzt aber allen noch so grossartigen medizinischen Möglichkeiten Grenzen. Schon jede Lebensphase hat ihre ei-genen Herausforderungen und ist mit Neuaufbruch und Neuorientierung verbunden. Wie ist es um unser «Heil werden» bestellt, wenn eine ärztliche Diagnose «unheilbar» lautet? Wie verarbeiten wir einen Unfall, der alle unsere Zukunftspläne durchkreuzt? Wir sind angewiesen auf Mitmenschen, die solche Herausforderungen mittragen. Am Schweizer Tag der Kranken denken wir deshalb auch an alle Angehörigen, Freunde und Bekannten, die oft unerkannt und im Privaten, aber in grosser Treue Begleitung und Pflege gewährleisten.
Die katholische Kirche feiert dieses Jahr ein Jubiläumsjahr - ein «Heiliges Jahr». Sie lädt uns ein, «Pilger und Pilgerinnen der Hoffnung» zu werden. Dabei begleitet uns das Wort Gottes, das uns durch den heiligen Paulus eine sehr ermutigende Botschaft gibt: «Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen» (Röm 5,5), ja, sie macht uns stark in der Bedrängnis. Das sind tröstliche Worte. Aber: Wie sollen wir stark bleiben, wenn wir von schweren, beeinträchtigenden Krankheiten heimgesucht werden? Oder wie schaffen wir das, wenn wir neben unserem eigenen Leiden auch das derjenigen sehen, die uns lieben und sich trotz aller Nähe hilflos fühlen? In solchen Situationen spüren wir das Bedürfnis nach einer Unterstützung, die grösser ist als wir: Wir brauchen die Hilfe Gottes, seiner Kraft und seiner erfahrbaren Gegenwart. Jesus sendet seine Jünger aus (vgl. Lk 10, 1-9) und beauftragt sie, den Kranken zu sagen: «Das Reich Gottes ist euch nahe». Das heisst, er will, dass sie helfen, auch leidvolle Krankheit als eine Gelegenheit zur Begegnung mit dem Herrn zu erkennen. Die Zusage der Jünger hilft dem kranken Menschen, im Glauben eine Kraft zu entdecken, die auch durch das Schwere, durch das Leiden hindurch trägt. Die von Jesus Gesandten werden zu Boten jener Hoffnung, die in Kreuz und Auferstehung Jesu gründet. Sie ist der Anker, der über Leiden und Tod hinaus Leben in Fülle verheisst.
Unser Schweizer Krankentag steht unter dem Motto «Hilfe zur Selbsthilfe».
Wie können wir nun als «Pilger der Hoffnung» kranken Menschen Begleiter und Begleiterinnen zur Selbsthilfe werden?
Jede Krankheit, besonders jede schwere Krankheit oder dauerhafte Beeinträchtigung, auch der letzte Weg auf den Tod zu kann wie ein Aufbruch sein - ein Aufbruch, der mich zwingt, Vertrautes zurückzulassen und Ungewohntes, ja oft auch Ungewolltes anzunehmen.
«Hilfe zur Selbsthilfe» besteht dann darin, einen Menschen auf diesem Weg zu begleiten. Das heisst: Im Hinhören, im Gespräch mit ihm und in liebender Zuwendung den oft schmerzvollen Prozess des Loslassens zu begleiten. Ich kann versuchen, das in den Blick zu nehmen, was hilft, die Lebensqualität zu verbessern – und letztlich die christliche Hoffnung auf ein Leben in Gottes Gegenwart zu stärken.
Uns sind so viele Bilder und Gleichnisse geschenkt, in denen Gott als einer beschrieben wird, der unser Leben will, ein Leben in Fülle. Der Blick auf das barmherzige Handeln Gottes hilft, dem eigenen Leben gegenüber barmherzig zu sein. Wir müssen uns Gottes Liebe nicht verdienen oder er-kaufen, indem wir uns aufopfern. Jesus geht es darum, dass wir Menschen Gottes Güte erfahren. Er will, dass wir gut zu uns selber sind. Jede mitmenschliche Zuwendung stärkt in der Krankheit das Vertrauen in Gottes Gegenwart und Treue.
«Hilfe zur Selbsthilfe» ist damit auch eine Hilfe zur Selbstannahme und zur Versöhnung mit sich selbst. Selbstannahme heisst, auch das zu sehen, was in mir unglücklich, einsam, verlassen, gescheitert ist – alles, was ich am liebsten übersehen würde.
Ein versöhnter Blick auf die eigene Vergangenheit entlastet und befreit. Und vielleicht darf ein im Herzen schlummerndes Gebet wieder aufsteigen, das in der Krankheit Zuversicht schenkt. Ich denke zum Beispiel an das Gebet des Hl. Niklaus von Flüe:
«Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir; gib alles mir, was mich führet zu dir; nimm mich mir, und gib mich ganz zu eigen dir.»
Hilfe zur Selbsthilfe könnte so ein Weg sein, sich mit dem ganzen Lebensgepäck Gott zu öffnen, der mit uns fühlt und ein Herz für uns hat – damit wir leben können.
Freiburg/St. Gallen, 2. März 2025
Für die Schweizer Bischöfe und Territorialäbte
Markus Büchel
Bischof von St. Gallen