und dem Hochfest des Hl. Josefs, Bräutigam der Gottesmutter Maria
Kathedrale Chur, 19. März 2022
Liebe Diakone Joachim, Steffen und Toni
liebe Angehörige und Freunde dieser drei Sehr-bald-Priester,
liebe Mitbrüder,
liebe Schwestern und Brüder in Christus
Maria und Josef suchten Jesus drei Tage lang, sehr intensiv – wie wir eben gehört haben. Sie hätten denken können: Warum machen wir uns Sorgen, er ist der Sohn Gottes, wir brauchen uns nicht zu kümmern, ihm kann nichts passieren.
Sowohl Maria wie Josef hatten aber eine natürliche und persönliche Eltern-Kind-Beziehung zu Jesus. Das Wissen, dass er der Sohn Gottes war, blockierte nicht die menschliche Zuneigung, Liebe und Verbundenheit, die sie mit ihm hatten. Sie reagierten wie gewöhnliche Menschen, wie bewährte Eltern mit der Einstellung: Er braucht uns und wir brauchen ihn.
Wir alle – solange wir auf Erden wandeln – bleiben auf der Suche. Wir alle sind Menschen, die aus der Beziehung zum Herrn leben wollen, Menschen, die überzeugt sind, dass diese Beziehung den Sinn unserer Existenz ausmacht. Wenn das für alle Getauften und Gefirmten – und im Grunde für alle Menschen – gilt, wie sehr gilt das auch für uns Priester. Ein Priester sollte, wie ein Katalysator, ein Ansporn, eine Motivation für diese gemeinsame Suche aller nach Gott sein. Es ist bezeichnend, dass Maria nicht allein auf die Suche ging, dass auch Josef nicht allein suchte. Sie suchten ihn gemeinsam. Dies ist ein wunderbares Bild für das, was wirklich Kirche ist, für das, was Priester und Gläubige verbindet, für das, was das Gemeinsame und Besondere ausmacht. Wir alle sind Pilger auf dem Weg, wie auch ein Priester ein solcher ist. Wir Priester sind Suchende mit den Suchenden. Wir alle sind also im Grunde Suchende, weil wir IHN schon gefunden, IHN erkannt und bereits begonnen haben, IHN zu lieben. Gerade dadurch wird die Sehnsucht grösser, auch die Bereitschaft, weiter auf die Suche zu gehen, die Beziehung zu vertiefen, IHM inniger zu begegnen und dadurch zu wachsen. Die priesterliche Berufung versteht man nur richtig als Dienst mitten im Volk Gottes. Priester sind Initiatoren der gemeinsamen Suche nach Gott. Mehr noch: «Der Priester ist eine Monstranz: Seine Aufgabe ist es, Jesus zu zeigen. Er selbst muss sich zurücknehmen und zulassen, dass man nur Jesus sieht.», wie es der selige und bald heilige Charles de Foucauld einmal weise ausgedrückt hat.
Josef und Maria haben Jesus während drei Tagen – wie Maria sagte – «mit Schmerzen» (Lk 2,48) gesucht. Auch das gehört zum priesterlichen Leben. Das kommt auch in unserem Leben auf Erden manchmal vor – im Leben jedes Menschen. Manchmal stehen wir mitten im Leben verunsichert mit der Frage da: Wie kann Gott – gerade er – mir etwas Schlimmes, Schmerzliches antun? Wir verstehen manche Vorkommnisse nicht, noch weniger, da wir doch unser Leben in Gottes Händen gelegt haben. Wie kann Gott uns das antun? Vielleicht werdet ihr, liebe Diakone, Euch während Eures priesterlichen Lebens auch manchmal fragen: Wie kann Gott mir das antun, gerade mir, der ich bereit gewesen bin, Priester zu werden?
Manche Entwicklungen, Vorkommnisse, Situationen in der heutigen Welt können in unserem Herzen folgende Frage hochkommen lassen: Ich war bereit, Priester zu werden für diese Welt und diese Welt denkt an Allesmögliche, aber kaum an Gott. Was mache ich hier?
Es können Strecken der inneren Trockenheit vorkommen, wo die persönliche Suche nach Gott mühsam wird, wo man vielleicht nichts von seiner Gegenwart spürt. Wir Priester begegnen oft auch Menschen, die Schmerzliches durchmachen und sich ähnliche Fragen stellen: Betagte in ihrer Einsamkeit, einsame Menschen oder Kranke in ihren Leiden, Entmutigte ohne Trost. Wiederum machen wir die Erfahrung – eine harte Erfahrung – dass wir es mit Menschen zu tun haben, die ihr Leben ganz komfortabel einrichten, die ohne diese Suche nach Gott scheinbar erfüllt leben und behaupten: das alles brauchen wir überhaupt nicht.
Maria – sozusagen auch stellvertretend für Josef – machte Jesus Vorwürfe: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. (Lk 2,48)
Im Herrn Geliebte, das Gebet der Priester darf genau so frech sein! Wir dürfen stellvertretend für viele Menschen vor Gott treten und ungeniert und ungeschminkt ihn jederzeit anrufen, beten und klagen. Wir dürfen Gott alles sagen und vor ihm zur Sprache bringen, auch, dass wir Menschen ihn manchmal einfach nicht verstehen. Wir dürfen uns gewiss sein: Gott ist der Erste, der vollstes Verständnis dafür hat, dass wir manches nicht verstehen können. Es geht um jenes «voll Hoffnung glauben gegen alle Hoffnung», das uns der Erzvater Abraham vorgelebt hat. Wenn wir Priester nicht im Gebet ausharren, werden die Suchenden noch grössere Mühe haben, treu in der Suche auszuharren. Die Hoffnung hat Abraham zutiefst erfüllt. Wir dürfen gewiss sein, dass die schmerzhaften Lebensstrecken gleichzeitig Lichtstrecken sind, weil die Liebe alles und jeden verwandeln kann. Die Liebe spornt uns an und ermutigt uns, auf der Suche zu bleiben. Nur ein Erfahrener in der Liebe kann ein segensreicher Priester sein. Denken wir bitte nicht, dass wir Priester zuerst Lehrende sind. Wir sind Lernende mit den Lernenden, Durstige mit den Durstigen, Suchende mit den Suchenden, Lehrende – weil Lernende. Unser Leben kann eine Liebesgeschichte werden nach dem Beispiel der Liebe und Treue des hl. Josefs.
Das schmerzhafte Suchen von Maria und Josef hat sich gelohnt. Es hat sozusagen Jesus entwaffnet: Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam (Lk 2,51). Jesus war bereit, weiterhin mit und bei ihnen zu leben, sich ihnen zu widmen, sie als Sohn zu lieben, sich ihnen zu fügen.
Eröffnet das nicht herrliche Perspektiven für unser priesterliches Leben? Und mit uns Priestern für das Leben aller Gläubigen? Wenn wir in Liebe und Treue in der Suche ausharren, dürfen wir Gott «kommandieren» und er macht sich uns fügig. Wir werden zu Anwälten für unsere Welt, für alle Anliegen, für alle Sorgen, für all das, was das menschliche Herz sucht, um glücklich und friedvoll leben zu können.
Wenn ein Priester die Sakramente spendet, darf er sich dabei bewusst sein, dass sich Gott durch sein Wirken uneingeschränkt für die Menschen zur Verfügung stellt. In den Sakramenten nämlich schenkt uns Gott seine Gnade und seine Gaben, durch das Handeln des Priesters. Die Sakramente sind, wie wir wissen, wirksame Zeichen der Nähe Gottes gerade dann, wann wir diese Nähe besonders brauchen. Auch der Priester braucht all das und gleichzeitig ist er Vermittler dieses göttlichen Gehorsams gegenüber den Bedürfnissen der Menschen.
Liebe Schwestern und Brüder, Jesus war bereit, das Kind von Maria und Josef zu sein. Er wiederum stellte für sie beide die unendliche Elternschaft Gottes dar. Die Aussage Gottes im 2. Buch Samuel, die wir vorher gehört haben, beschreibt die schliesslich einzige Art der Beziehung zwischen Gott und uns Menschen: Ich werde für ihn Vater sein und er wird für mich Sohn sein. (2 Sam 7,14)
Es gibt nur einen Vater, der im Himmel. Es gibt nur einen Meister, unser Herr, es gibt nur einen Lehrer, Jesus Christus. Und dennoch: wenn wir in die Schule Jesu gehen, lernen wir alle – Priester und Gläubige – immer weiter und immer mehr Väter und Mütter wie es Gott ist, zu sein. Väter und Mütter für die Menschen zu sein und wir lernen auch – wie kleine Kinder – Gott als Vater zu betrachten, die mütterliche Liebe Gottes zu erfahren und wir entdecken, dass unsere Mitmenschen uns tragen – mütterlich und väterlich. Gott ist Familie, die Kirche ist eine wunderbare Familie, das wiederhole ich bewusst gerne und oft. Es besteht zweifelsohne ein Wesensunterschied zwischen dem Priestertum eines Priesters und dem gemeinsamen Priestertum aller Getauften und Gefirmten, doch im Herzen Gottes bilden diese beiden eine Einheit, ein Band der Liebe.
Ich hoffe und wünsche, dass ihr drei und auch wir alle, die heute da sind, immer mehr – zusammen mit dem hl. Josef, unserer Gottesmutter Maria und unserem Herrn Jesus Christus – treue und liebende Glieder jener Familie der Kinder Gottes werden, von der Gott schon von Anfang an geträumt hat. Amen.