Liebe Jubilare, liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder
Der Tag der Priesterjubilare ist jedes Jahr ein Tag tiefer Dankbarkeit und Freude. Dieses Jahr aber feiern wir diesen Anlass zusammen in einer tief betrübten Stimmung. Die Worte des heutigen Evangeliums paraphrasierend, möchte ich sagen: «Jesus weiss, was in unseren Herzen vorgeht» (vgl. Lukas 9,47).
Ich kann erahnen und mitfühlen, liebe Mitbrüder, was in euren Herzen vorgeht. Ihr habt viele Jahre eures Lebens, Christus nachfolgend, in den Dienst der Menschen investiert. Ihr habt um des Herrn Willen, die Kinder aufgenommen, unterrichtet, sie in ihrer Entwicklung unterstützt, seelsorglich begleitet und viele Familien sind euch dafür dankbar. Dennoch sind wir alle unter Verdacht, Kinder missbraucht zu haben. Diese Pauschalverurteilung ist nicht gerecht. Deswegen danke ich euch innigst und allen Priestern, die sich gut und verantwortungsvoll den ihnen anvertrauten Menschen gegenüber verhalten haben. Zugleich dürfen wir uns nicht von der Schuld, welche die Kirche als solche im Zusammenhang mit dem sexuellen, spirituellen und Machtmissbrauch trägt, distanzieren, als ob diese Schuld nichts mit uns zu tun hätte.
Jeder von uns hätte – um diesen Aussatz in der Kirche zu beseitigen –mehr machen können, ich auf jeden Fall. Nun wollen wir uns alle vermehrt dafür einsetzen, nicht mit Worten, sondern mit wirksamen Taten. Es geht um einen kulturellen Wandel. Die Kirche muss aufhören gross sein zu wollen, die Grösste zu sein. Aufhören, eine Kirche zu sein, die um ihr Aussehen, um ihre Macht, um ihr quantitatives Wachstum, um ihren Welteinfluss besorgt ist. Wir wollen alle eine Kirche, die klein, demütig, anspruchslos, lernfähig, offen für alle und mit einer Präferenz für die Armen ist. Wir sehnen uns nach einer Kirche, die sich nicht mit den anderen christlichen Konfessionen und anderen Religionen vergleicht, sondern willig ist, mit allen zusammen zum Wohl der Menschen unterwegs zu sein, überzeugt von der in Gott gegründeten universellen Geschwisterlichkeit. Die meisten Menschen sind nicht gegen uns, sondern für uns da, auch gerade dann, wenn sie uns tadeln und kritisieren. Nur so können wir lernen.
Die Worte des Propheten Sacharja aus der heutigen Lesung sind sehr ermutigend. Unsere Kirche wird aus dem Exil zurückkehren. Sie ist in eine Krise verbannt, weil sie streckenweise die Menschen im Stich gelassen hat. Aber Gott hört nicht auf, sich für seine Kirche einzusetzen. Er will uns mit seiner Treue und Heiligkeit anstecken. Er setzt sich unbeirrt ein, dass wir alle als Kirche ein Ort der Treue, der Treue zu den Menschen, der Treue zu Gott, ja der Treue zum Weg, den wir gewählt haben, werden. So werden wir erleben können, dass Greise und Greisinnen, Knaben und Mädchen in der Kirche eine angstfreie Heimat finden, einen Ort der Wahrheit und der Freiheit, der Freude und der Entfaltung. Unser Gott ist unwandelbar in seiner Liebe und in seiner Liebe zu den Menschen treu. Setzen wir deswegen zuversichtlich unseren priesterlichen Dienst fort. Wir machen eine Zeit der Läuterung durch, die doch eine providentielle Zeit werden kann.
Gegenwärtig kehren leider nicht wenige der Kirche den Rücken. Diesen Menschen sollten wir mit aufrichtigem Verständnis begegnen. Die dadurch entstandene Sorge sollten wir aushalten und mit diesen Menschen offen, dienstbereit umgehen und mit ihnen verbunden bleiben. Sie bleiben Kirche und werden vielleicht später wieder kommen, wenn sie feststellen können, dass unsere Kirche den Mut hatte, aus den Fehlern zu lernen.
Nochmals danke ich euch allen herzlich für eure Treue und für eure Bereitschaft, diesen nötigen Kulturwandel der Kirche mitzugestalten. Amen.