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Bistum Chur

Missio-Feier in St. Ulrich, Winterthur

Liebe Pastoraljahrabsolventinnen und -absolventen, die ihr heute die kirchliche Sendung empfängt
Liebe Mitbrüder
Liebe Schwestern und Brüder

Wir haben eben die Frage des Herrn an die Jünger gehört. «Ihr aber, für wen haltet ihr mich?» Die Antwort auf diese Frage bestimmt unser Leben und unser Wirken.

Wir sind alle hier versammelt, feiern Eucharistie, weil wir auf diese Frage mit Simon Petrus antworten: «Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!» Nur diese Überzeugung betreffend die dauernde Aktualität der Erlösung begründet unser Dasein und Sosein als Christinnen und Christen und unsere Bereitschaft, Zeuginnen und Zeugen der Frohbotschaft zu sein. Das «du bist» – in der Gegenwartsform zum Ausdruck gebracht – ist die Motivation unseres seelsorglichen Wirkens. Jesus Christus, unser Erlöser, ist nicht eine einmalige Gestalt der Vergangenheit, nicht nur eine Lehre oder eine Figur, um sie nachzuahmen, sondern der Gott unter uns, der Gott mit uns, der Gott für uns im Hier und Heute und zwar ganz als Mensch und ganz als Gott. Die Sendung, die ihr heute empfängt, besteht darin, genau diese geheimnisvolle Wirklichkeit gekonnt, anziehend und motivierend zu verkünden.

 

 

 

 

 

Liebe Seelsorgerinnen und Seelsorger, unsere seelsorgliche Missio bedeutet, dass wir tagtäglich unsere persönliche Glaubensüberzeugung bezüglich der Anwesenheit Christi unter uns fördern, pflegen und weiterschenken. Unsere Welt kennt viele und grosse Sorgen, nicht wenige Menschen sind verunsichert. Wir fragen uns selber in Anbetracht der Kriege, Ausbeutung, Missbrauch der Schöpfung, Diskriminierung, Ungerechtigkeit und allerlei Grausamkeiten, ob Gott sich noch zeigt und ob er noch wirkt. Umso mehr müssen wir die suchende Überzeugung – es geht nicht um eine prahlerische Gewissheit oder gar Überlegenheit – dass Gott, weil er uns liebt, uns nicht im Stich gelassen oder verlassen hat, aufrechterhalten und diese den Menschen weitergeben.

Die Kirche ist Kirche, d.h. Ecclesia, Versammlung jener, die auf die Frohbotschaft Jesu ihr Leben aufbauen, wenn in ihr die Überzeugung aufrecht erhalten bleibt, dass Christus im Heute, als Auferstandener, lebendig und wirksam die Welt weiterhin erlöst und ihr Heil spendet.

Wir möchten alle eine Kirche sein, die durch und durch ökumenisch fühlt und wirkt. Wenn wir uns fragen: Welches ist die solide Quelle und der dauernde Ansporn für gelebte Ökumene, ist die Antwort dieselbe: Alle Christinnen und Christen können sich nur in der eigenen Verbundenheit und in der Verbundenheit aller mit Jesus Christus unter uns, als ganz Mensch und ganz Gott, zusammenfinden. Wenn dieser gemeinsame, lebendige Glaube abnimmt, bleiben alle ökumenischen Anstrengungen oberflächlich und bloss Kosmetik. Nächstes Jahr werden alle Christen 1700 Jahr seit dem 1. Konzil von Nizäa feiern, bei dem diese Grundüberzeugung der Christgläubigen feierlich festgehalten und proklamiert wurde. Und in wenigen Jahren, im Jahre 2033, werden wir nochmals gross feiern; dann die Auferstehung des Herrn vor 2000 Jahren, welche das andauernde und aktuelle Leben der Menschen, der Welt und der Geschichte bleibt.

Wie oft fragen wir uns, wie wir wieder bzw. vermehrt die Jugendlichen engagieren, sie für das kirchliche Leben gewinnen können. Wir werden sie nicht für eine Theorie, für eine wunderbare Botschaft allein, für Super-Events und Anlässe dauerhaft gewinnen können. Nur der lebendige Christus unter uns besitzt die ausreichende Anziehungskraft, um die jungen Menschen beständig zu motivieren. Es geht darum, die persönliche, tiefe und lebendige Beziehung zwischen den Jugendlichen und Christus zu fördern. Dort liegt das A und O der Jugendpastoral.

Liebe Mitfeiernde, das Thema der heutigen Liturgie lautet: «Lebendige Steine sein». Wie es im ersten Petrusbrief heisst, ist nur er – Jesus Christus – der lebendige Stein. Wir leben und wir können Leben des Heils und lebendige Hoffnung vermitteln, wenn wir mit ihm – dem Lebendigen schlechthin – verbunden bleiben. Bei mir in Chur sind kunstvolle alte Kachelöfen in verschiedenen Räumen vorhanden. Die Technik eines Kachelofens besteht darin, dass die einzelnen Steine die Fähigkeit aufweisen, Wärme aufzunehmen, diese lange zu behalten und grosszügig auszustrahlen. Die Liebe des Herrn ist wirksame Wärme für alle Herzen. Nur in seiner Nähe können wir diese Liebeswärme empfangen, nur in seiner Nachahmung können wir die göttliche, ausstrahlende und heilende Liebe aufbewahren und durch den vertrauten Dialog mit ihm sind wir im Stande, grossherzig seine Liebe allen weiter zu schenken. So entstehen lebendige Pfarreien, eine lebendige Seelsorge, lebendige pastorale Stellen und Dienststellen in der Kirche.

Erlaubt mir zuletzt, dass ich noch etwas über die Lebendigkeit unseres Glaubens, über die Lebendigkeit unserer Pfarreien und über die Lebendigkeit unserer Kirche sage. Im Johannesevangelium finden wir die Aussage des Herrn: «Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben». Auch wenn die kirchliche Lebendigkeit und die Lebendigkeit unseres Glaubens einen vielseitigen und vielfältigen Ausdruck aufweisen – nicht zuletzt durch die Werke der Nächstenliebe und der Diakonie – bleibt die Eucharistiefeier Mittelpunkt und Quelle unserer Lebendigkeit. Unser beständiger Einsatz für eine motivierende Feier der Eucharistie sichert am besten die Gegenwart und Zukunft der Seelsorge. Amen

Winterthur, 22. September 2024

Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur