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Bistum Chur

Impuls von Bischof Bonnemain an der Sitzung der Synode

Geschätzter Präsident der Synode der Katholischen Kirche
im Kanton Zürich, lieber Guido
Geschätzte Synodenmitglieder
Geschätzte Synodalräte
Geschätzter Generalvikar, lieber Luis
Geschätzte Gäste der Römisch-katholischen Kirche im Kanton Aargau

 

Mein erster Gedanke heute Morgen als Gast, hier bei Ihnen, ist einer der Dankbarkeit. Sie alle engagieren sich und wirken synodal für unsere Kirche – in einem Moment, in der die gesamte Kirche sich entschlossen hat, einen Synodalen Prozess durchzuführen und sich einer synodalen Transformation zu unterziehen. Ich sage Ihnen von Herzen Danke! Mein Dank ist aber nicht so wichtig. Es gibt einen anderen, der Ihnen gegenüber ebenfalls sehr dankbar ist.

 

 

 

 

 

Wir sind es gewohnt, Gott für alles, was wir erhalten, Danke zu sagen. Gott ist an Grosszügigkeit nicht zu überbieten. Jesus sagte einmal: «Amen, ich sage euch: Jeder, der um meinetwillen und um des Evangeliums Willen Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird das Hundertfache dafür empfangen. Jetzt in dieser Zeit wird er Häuser und Brüder, Schwestern und Mütter, Kinder und Äcker erhalten, wenn auch unter Verfolgungen, und in der kommenden Welt das ewige Leben» (Mk 10,23-30). Es ist nicht so, dass Sie aufgrund Ihres Einsatzes für die Entfaltung und das Gelingen des kirchlichen Lebens Familie, Haus oder Besitz verlassen müssen. Sie investieren jedoch einen Teil Ihrer Zeit und Ihrer Energie in die Belange der Kirche. Sie stellen Ihr Können und Ihre Fähigkeiten zur Verfügung. Die Dankbarkeit Gottes ist demzufolge bestimmt hundertfach im Vergleich zu unserer Dankbarkeit ihm gegenüber.

Verfolgungen erleben Sie als Synodale zum Glück nicht. Dennoch bekommen Sie kritische Fragen zu hören: «Warum engagierst du dich für die katholische Kirche?», «Bist du immer noch in diesem Verein?». Diese Fragen hören Sie wahrscheinlich nicht ganz selten. Auch für Ihr Bekenntnis ist Gott Ihnen bestimmt dankbar.

Es geht schlussendlich darum, der Welt das zu vermitteln, was jeder Mensch im Innersten sucht: Unendlichkeit, eine vollkommene Liebe ohne Ende, eine Antwort auf alle Sinnfragen des Lebens: Das ewige Leben ist die Antwort darauf. Dieses ewige Leben ist in Jesus Christus Gegenwart geworden. In seiner Nachfolge versuchen wir, dies in der Welt sichtbar und erlebbar zu machen: Das ist Kirche sein.

Erlauben Sie mir, einen zweiten und letzten Gedanken: Synodalität bedeutet, im christlichen Sinn, kein Konkurrenzkampf oder ein Sich-argumentativ-Durchsetzen. Die Synodalität im Sinne unseres Glaubens geht untrennbar mit der Caritas, mit der Nächstenliebe, zusammen. Ein Wort des Heiligen Augustinus begleitet mich immer. In seinem Kommentar zu Psalm 39 schreibt er: «Alle laufen, … und wer zuerst ankommt, wartet, um mit den Später-Ankommenden gekrönt zu werden. Diesen Wettlauf unternimmt nicht der Gier nach Ruhm, sondern die Liebe, alle Läufer lieben sich und die Liebe selbst ist der Lauf».

Der Lauf durch die Geschäfte und Traktanden der Synode sollte stets ein Lauf der Liebe sein, bei dem Liebende sich engagieren. So werden wir wirklich eine synodal transformierte Kirche erleben können.

 

Statement

Geschätzte Teilnehmende an dieser Synoden-Sitzung

Wie Sie wissen, wurde ich gebeten, gemäss dem Antrag der Synodale Monika Zimmerli und anderer Mitunterzeichnenden an die Geschäftsleitung, anlässlich der 3. Synoden-Sitzung vom 7. Dezember 2023, Stellung bezüglich der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der katholischen Kirche zu nehmen. Es geht konkret um die Frage: Was habe ich als Diözesanbischof in diesem Sinne bereits unternommen, was werde ich noch tun und was tut die Weltkirche dafür.

Ich denke, dass das fast erste Wort der Bibel eines der Gleichberechtigung ist: «Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie» (Gen 1,27). Die Gottebenbildlichkeit der Frau und die des Mannes sind eins und dasselbe. Die diskriminierenden Unterschiede sind später entstanden. Das bedeutet aber nicht Uniformität oder Unterdrückung der Vielfalt. Der Heilige Paulus hat es in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth auf den Punkt gebracht: «Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen» (1 Kor 12,5-6). Und Paulus spricht von den Gliedern des menschlichen Leibes als anschauliches Bild dieser sich ergänzenden Vielfalt: «Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede. Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Machttaten zu wirken? Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle übersetzen?» (1 Kor 12,27-30).

Wir sind alle Glieder des Leibes Christi und daher Glieder mit- und füreinander, auf Partnerschaft und Gegenseitigkeit angelegt. Alle Glieder gestalten ihr Miteinander, indem alle ihre Unterschiede und Besonderheiten miteinbringen. Es kann also nicht von einer Gleichartigkeit, aber sicher von einer Gleichwertigkeit aller Glieder ausgegangen werden. Wir müssen uns alle für eine vollständige Gleichwertigkeit von Frau und Mann in der katholischen Kirche einsetzen, ohne die Wesensmerkmale unserer Kirche preiszugeben.

Ich möchte nun die Antwort auf die mir gestellte Frage in den Rahmen des Dualen Systems setzen. In der Kirchenordnung wird festgehalten, dass die Zürcher Körperschaft sich für die Gleichstellung und Gleichberechtigung von Mann und Frau in der katholischen Kirche einsetzt. Zugleich wird in der Präambel erklärt, warum die Katholiken sich diese Kirchenordnung geben, nämlich: «in der Absicht, im Kanton Voraussetzungen für eine lebendige Kirche zum Wohl der Menschen zu schaffen, in Mitverantwortung für die Bedürfnisse der Kirche im Bistum und in der Schweiz sowie für die Weltkirche, im Willen, die je eigenen kirchlichen und staatskirchenrechtlichen Zuständigkeiten zu beachten und mit den kirchlichen Organen einvernehmlich zusammenzuarbeiten, im Rahmen des kirchlichen und des staatlichen Rechts».

Nach meinem Verständnis muss demzufolge die Förderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann gemäss der Kirchenordnung im Einklang mit der Ekklesiologie der katholischen Kirche und mit ihrer sakramentalen Grundlage stehen.

In der Katholischen Kirche hat niemand ein bedingungsloses Anrecht auf dem Empfang des Weihsakramentes, dies unabhängig vom Geschlecht. Es handelt sich um einen Ruf von Gott, um eine Gabe, ja um eine Gnade. Die Kirche setzt, gestützt auf der Offenbarung, der kirchlichen Tradition und dem Lehramt die Voraussetzungen für den Empfang der Weihe fest. Dabei handelt es sich nicht allein und primär um eine kirchrechtliche Frage, sondern um das ekklesiologische Grundverständnis. Bis heute hat die Kirche gelehrt und festgehalten, dass nur Männer das Weihesakrament empfangen können. Dies haben auch die letzten Päpste, Papst Franziskus inbegriffen, bekräftigt. Es gibt viele andere Bedingungen, die auch erfüllt werden müssen: ein bestimmtes Alter, psychische und physische Gesundheit, Ausbildung, usw. Die eigene Überzeugung, zum Priester berufen zu sein, reicht nicht aus. Wir sind wahrscheinlich alle einverstanden, dass Situationen wie jene von Paul Kunz in Dozwil, der überzeugt war, direkt und von Gott selbst zum Priester geweiht worden zu sein, zu Entstehung von Sekten führt, wie es in Dozwil mit der Michaelskirche geschehen ist. Um Priester zu werden, braucht es vier Ja’s: das Ja Gottes, das Ja des Berufenen, das Ja des Volkes Gottes und das Ja des zuständigen Bischofs.

Die Gleichberechtigung und die Nichtdiskriminierung aufgrund des Geschlechtes sind in der Bundesverfassung unseres Landes verankert. Das Gleichstellungsgesetz konkretisiert die Umsetzung. In der Bundesverfassung wird aber auch die Religionsfreiheit garantiert. Die Religionsfreiheit beschränkt sich nicht auf eine Individuelle, sondern erstreckt sich auch auf eine Kollektive bzw. Korporative. So betrachtet, garantiert unsere Bundesverfassung, die Freiheit der Kirche, gemäss ihrem Wesen und ihrem Selbstverständnis zu wirken.

Dass die katholische Kirche Männern das Weihsakrament vorbehält, heisst nicht, dass sie sich nicht für eine immer vollständigere Gleichstellung der Frau in der Kirche einsetzt. Seit dem neuen Grundgesetz über die Leitung der Kirche auf Weltebene, die Apostolische Konstitution «Praedicate evangelium» vom 19. März 2022, können auch nicht geweihte Gläubige – Frauen und Männer – in allen Leitungsgremien der Kirche im Vatikan wirken und für diese ernannt werden. Papst Franziskus hat dies bereits mehrfach umgesetzt. In der Römischen Kurie wirken bereits mehrere Frauen in den höchsten Leitungsämtern. Bis dies auch auf Niveau der Diözesen der Fall wird, braucht es zum Teil eine Anpassung des Kirchenrechtes. Ich bin überzeugt, dass dies eines der Ergebnisse des nun stattfindenden Synodalen Prozesses sein wird.

Meinerseits bin ich bestrebt, dass in den Pfarreien wie auch in der Kategorialseelsorge Frauen Leitungsstellen übernehmen. Das geschieht überall im Bistum. Darüber bin ich sehr froh und vielen Theologinnen sehr dankbar, dass sie als Pfarreibeauftragte wirken und ihre Aufgabe sehr gekonnt meistern. Als ich das Amt des Diözesanbischofs antrat, wirkten nur Männer in der Leitung der Diözese mit. Der Bischofsrat war ein Männerrat. Jetzt sind vier Frauen Bischofsrätinnen, welche die gleichen Rechten und Pflichten haben wie die sechs männlichen Mitglieder. Für das Diözesangericht habe ich bereits zwei Frauen zu Richterinnen ernannt. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen.

Ich werde nie eine Aussage von Papst Johannes Paul II. in seinem apostolischen Schreiben «Mulieris dignitatem» über die Würde und Berufung der Frau, aus dem Jahre 1988, vergessen: «der Mann lernt von der Frau Mensch zu sein». Für mich bedeutet das auch, dass ich nur zusammen mit den Frauen lernen kann, Bischof zu sein.

Papst Franziskus wird nicht müde zu wiederholen, dass es in der Kirche Platz für alle gibt, dass in der Kirche alle willkommen sind, «alle, alle, alle» wiederholt und bekräftigt er oft. Wir sind alle in der Kirche zu Hause, um uns gegenseitig zu ermutigen und zu unterstützen im Einklang mit der Vision Gottes vom Menschen, im Einklang mit dem Evangelium und in der Nachfolge Jesu Christi zu leben. Diese Nachfolge geschieht in der Einmaligkeit des Einzelnen mitten in der grossen Vielfalt, jedoch nicht auf Kosten der anspruchsvollen, aber gerade deswegen, beglückenden Botschaft unseres Erlösers und Bruders, Jesus Christus.

 

Geschätzte Synodale und Synodalräte,

Gehen wir in Eintracht und kühn voran, indem wir die Möglichkeiten nutzen, die uns die Realität unserer Kirche im Hier und Heute bereits ermöglicht, um die Gleichstellung von Mann und Frau zu stärken. Die «Handreichung für eine synodale Kirche» des Bistums Chur ist ein geeignetes und zielführendes Werkzeug dafür. Ich hoffe, dass dieses auf allen Ebenen unseres Bistums eingesetzt wird. Auch dafür danke ich Ihnen.

Zürich, 20. Juni 2024
Joseph Maria Bonnemain
Bischof von Chur

Generalvikar Luis Varandas
Fotograf Bistum Chur