Liebe Priester, Diakone, Seelsorgende
Liebe Schwestern und Brüder
Zuerst möchte ich euch Priestern, Diakonen, Seelsorgerinnen und Seelsorgern ganz herzlich danken für euren tagtäglichen Dienst in unserem Bistum. Jedes Jahr ist die Chrisammesse eine sehr geeignete Gelegenheit, um euch diesen Dank auszusprechen. Wenn ich dies jedes Jahr tue, geschieht es nicht aus Routine, sondern aus tiefstem Herzen. Nur gemeinsam können wir den Sendungsauftrag erfüllen. Euer Einsatz und Wirken ist zugleich Gottesdienst und Menschendienst, Dienst an der Verherrlichung Gottes und Dienst an den Menschen, Dienst von Menschen an Gott und von Menschen an den Menschen. Was wir gemeinsam tun, ist Umsetzung und Fortsetzung des Erlösungswerkes unseres Heilandes.
In der heutigen Liturgie steht die Stelle im Buch des Propheten Jesaja, wo das Wirken des Messias geschildert wird, im Mittelpunkt. Die prophetischen Worte deuten das Heilstun unseres Herrn aus. Diese Worte erklären sehr gut, was unser Leben erfüllen und was unser Leben bewirken kann. Sie erklären sehr gut, warum wir – warum das Volk Gottes, im Grunde die ganze Menschheit – trotz aller Widrigkeiten und Abgründe der Grausamkeit froh und zuversichtlich bleiben können. Die Heilsgeschichte bleibt aktuell und wir leisten darin auch einen persönlichen Beitrag. Es handelt sich um einen Beitrag, der unersetzbar ist für die Verwirklichung der Erlösung. Unser Erlöser zählt auf uns und rechnet mit uns.
«Denn der Herr hat mich gesalbt; er hat mich gesandt». Wir sind alle gesalbt und gesandt. Wir sind Kirche und bauen die Kirche auf, wenn wir unserer Sendung und unserer Mission bewusst sind und diese wahrnehmen. Eine synodale Kirche ist eine evangelisierende Kirche, eine Kirche unterwegs für die Menschen und zu den Menschen und mit den Menschen. Wie geschieht die Evangelisierung? Die prophetischen Worte sind eindeutig: «Er hat mich gesandt, um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen, einen Tag der Vergeltung für unseren Gott, um alle Trauernden zu trösten, den Trauernden Zions Schmuck zu geben anstelle von Asche, Freudenöl statt Trauer, ein Gewand des Ruhms statt eines verzagten Geistes».
Ist heute nicht ein geeigneter Augenblick, wo jede und jeder sich fragt: Mit welcher Kraft, mit welcher Überzeugung, mit welchem Schwung und welcher Begeisterung rufe ich ein Gnadenjahr des Herrn aus, verkündige ich, dass im Herrn und mit dem Herrn alle Engpässe unseres Lebens überwunden werden können? Glauben wir wirklich, dass wir uns zu jeder Zeit in einer Gnadenzeit befinden? Damit dies aber nicht eine utopische Theorie bleibt, kennen wir den Weg, nämlich: Ohne zu zögern zu den Armen, zu den gebrochenen Herzen, zu den Gefangenen und Gefesselten gehen. Wie kann uns dies besser gelingen? Wie können wir noch dezidierter ein diakonisches Bistum werden? Die Diakonie ist nicht ein Zusatz oder ein Schmuck des synodalen Prozesses, sondern sollte das Herz und die Seele desselben sein. Den durch allerlei Zwänge und Ideologien, Diskriminierung und Verurteilung Gefesselten und Gefangenen nahe zu stehen, sich mit ihnen sozusagen verketten lassen, um gemeinsam den Weg in die Freiheit zu finden, gehört unbedingt zur Umsetzung der Handreichung für eine synodale Kirche. Viele von euch sind direkt an den Fronten und widmen sich den Trauernden, den Kranken und Leidenden, den Flüchtlingen und Vertriebenen, den Einsamen und Entmutigten: wie dankbar ist Gott dafür. Wenn wir dies tun, entsteht im geschwisterlichen Miteinander Trost, Freude und froher Mut auch für uns.
Kirche-sein reduziert sich aber nicht auf eine soziale Einrichtung. Wir sind «Priester des Herrn», «Diener unseres Gottes» auch und nicht zuletzt, um die Vergeltung unseres Gottes auszurufen. Es geht um die Verherrlichung Gottes, um Gott den ihm gebührenden Platz zu geben. Nur wenn wir Gott verherrlichen, ihn loben und ehren und ihm danken, verherrlichen wir wirklich den Menschen. Dies sollte uns beschäftigen, uns den richtigen Weg weisen, wenn wir liturgisch wirken. Zentrum, Mitte und Ziel im Gottesdienst ist Gott selber. Der grosse Gestalter der Eucharistie ist ER und nicht wir. Eine gottgefällige eucharistische Gemeinschaft ist und bleibt eine anbetende. Aus einer solchen Haltung heraus geschieht die Erneuerung der Kirche, Transformation, Vitalität und Innovation.
Wie tröstlich ist zu hören, dass wir die Treue des Herrn als Lohn empfangen werden, dass sein Liebesbund mit uns definitiv ist, ewig und unauflöslich.
Erlaubt mir einen letzten Gedanken: Es heisst im heutigen Evangelium, dass Jesus «wie gewohnt am Sabbat in die Synagoge» ging. Er ging dorthin, aber seine Verkündigung geschah nicht routinemässig, farblos, sondern besass die Kraft der Neuheit. Alle Anwesenden hörten ganz gebannt zu und wurden aufgerüttelt. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Jesus ging wie gewohnt in die Synagoge, aber nicht mit Gewöhnung. Er tat alles stets mit der Neuheit der Liebe, mit der Frische und Wirksamkeit der göttlichen Liebe. Ich meine, wir haben hier das Rezept für eine glaubwürdige Erneuerung unseres kirchlichen Lebens und für die Wirksamkeit unseres pastoralen Wirkens. Amen
Chur, 25. März 2024
+ Joseph Maria