Bischof Huonder: Distanzierung der Regierung
Der Bischof von Chur möchte Klarheit darüber, wie die Gesamtregierung des Kantons Zürich zu den Aussagen des Justizdirektors Martin Graf vom 31. Mai 2013 steht und liess der Regierung heute eine entsprechende Anfrage zukommen. Der Bischof hofft auf eine öffentliche Distanznahme der Regierung sowie eine Entschuldigung von Martin Graf.
An einer Medienkonferenz zum 50jährigen Jubiläum der Römisch-katholischen Körperschaft des Kantons Zürich hatte der Justizdirektor Elemente der katholischen Glaubenslehre als „rückständig“ bezeichnet. Sowohl in Chur wie in Rom würden die “Kirchenoberhäupter an verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten vorbei predigen”. Dies wurde in den Medien vom Sonntag 2. Juni 2013 dahingehend präzisiert, dass der Zölibat, die Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt oder die Nichtzulassung von geschiedenenen Wiederverheirateten zur Kommunion gegen Grundrechte verstiessen.
Dazu ist festzuhalten, dass Grundrechte kein Forderungskatalog für Regierungsvertreter darstellen, um Religionsgemeinschaften die eigene Weltanschauung aufzuzwingen. Grundrechte sind Schutzrechte des einzelnen Bürgers sowie von gesellschaftlichen Gruppen gegenüber dem Staat, der das Gewaltmonopol besitzt. Die katholische Kirche beruft sich weltweit und auch im Kanton Zürich auf das Grundrecht der Religionsfreiheit, um ihre Lehre zu verkündigen. Die Aussagen des Zürcher Justizdirektors bedeuten, ihr dieses Recht teilweise vorenthalten zu wollen: sie laufen darauf hinaus, der römisch-katholischen Kirche das Existenzrecht gemäss eigenem Selbstverständnis abzusprechen.
Eine besondere Betroffenheit ist fürs Bistum Chur in diesem Fall auch deshalb gegeben, weil der Kanton Zürich durch seine Gesetzgebung die Römisch-katholische Kirche gemäss deren Selbstverständnis bis heute nicht anerkennt (Weltkirche, Bistum, Pfarreien). Auch werden deren Repräsentanten, der Bischof von Chur und der Papst, als offizielles Gegenüber ignoriert. Stattdessen organisiert der Kanton Zürich die in ihm wohnenden Katholikinnen und Katholiken seit 50 Jahren in Institutionen, die er selber geschaffen hat. Diese sind aber nicht Teil der römisch-katholischen Kirche und stehen auch strukturell in Widerspruch zum Wesen der Kirche (sogenannte “Kirchgemeinden” sowie die “Römisch-katholische Körperschaft des Kantons Zürich”). Das Ignorieren der eigentlichen katholischen Kirche und ihrer offiziellen Vertreter kontrastiert dann umso stärker mit der Tatsache, dass deren Existenz der Zürcher Regierung durchaus bekannt ist: sobald es darum geht, sie oder die offizielle katholische Glaubenslehre öffentlich zu kritisieren.
Die europäische Geschichte seit dem Dreissigjährigen Krieg lehrt, dass die Verletzung der Religionsfreiheit den religiösen Frieden gefährdet und grosses Unheil verursachen kann. In diesem Sinn braucht es nun dringend neue Wege der Begegnung und des Respekts.
Chur, 3. Juni 2013
Bischöfliches Ordinariat Chur
Giuseppe Gracia
Beauftragter für Medien und Kommunikation
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