Am Priestertag des Bistums Chur vom 18.5.15 in Einsiedeln referierte Professor em. Hubert Windisch aus Freiburg, Deutschland. Mit Bezug auf die Bischofssynode in Rom vom kommenden Oktober setzte der Referent einen Kontrapunkt zur verbreiteten Forderung nach Anpassung der kirchlichen Lehre bezüglich Ehe, Familie und Sexualität an die gegenwärtige Kultur. Gemäss dem am 5.5.15 publizierten Synodenbericht der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) ist auch in der Schweiz der Wunsch nach Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion oder nach Segnung homosexueller Partnerschaften gross. Dazu führte Professor em. Windisch aus, seitens kirchlicher Verantwortungsträger werde eine Seelsorge gefordert, die nur noch „Bei-den-Leuten-sein“ wolle, statt den Menschen nach Massgabe des kirchlichen Glaubens zu Gott zu führen. So werde eine „neue Theologie“ vertreten, die nicht mehr von der Wahrheit und Schönheit des Miteinanders von Mann und Frau ausgehe, sondern von deren Scheitern. Die Realität hoher Scheidungsraten, die Anerkennung des Konkubinats oder von homosexuellen Partnerschaften als der Ehe gleichwertige Lebensform würden als Ausgangspunkt für Reformen betrachtet. Zudem sei es “unverständlich”, wie man Homosexualität an einer Bischofssynode zu Ehe und Familie im Kontext der Evangelisierung so thematisieren könne wie im letztjährigen Zwischenbericht: in diesem habe man sophistisch suggeriert, homosexuelle Partnerschaften könnten durch die Qualität der Dauer zu “tolerablen Gegebenheiten” werden, obwohl diese von der Bibel her “eine objektive Unordnung” darstellten.
Das „Drängen auf Veränderung“ in solchen Fragen komme, so Professor em. Windisch, besonders aus dem deutschsprachigen Raum. Dies habe mit dem Kirchensteuersystem zu tun: die Kirche im deutschen Sprachraum leide wegen der Austrittszahlen unter sinkenden Einnahmen und versuche diesen Verlust „mit den Mitteln der Anbiederung gegenüber den Zeitläuften“ zu kompensieren.
Der Referent führte weiter aus, dass sich hier eine Grundspannung zeige, nämlich das „immer neu auszulotende“ Verhältnis von Kirche und Welt. Dazu zitierte Professor em. Windisch den bekannten Theologen Karl Barth (1886-1968), der von zwei hauptsächlichen Versuchungen gesprochen hatte: von einer „Kirche im Exzess“, die in der Gefahr stehe, sich selbstgenügsam von der Welt fern zu halten und abzuschotten. Und von einer „Kirche im Defekt“, die sich ganz an der Welt orientiere. Kirchlicher Kleinglaube werde „säkular kompensiert“, indem man sich bemühe, den Bedingungen der Welt zu entsprechen. Der Refernt zeigte sich davon überzeugt, dass heute die „Kirche im Defekt“ eine grosse Gefahr sei. Zumindest im deutschen Sprachraum renne man der Welt hinterher und suche eine Erneuerung nach weltlichen Massstäben. So aber würde sich die Kirche schliesslich vor der Welt rechtfertigen, statt die Welt „vor die Rechtfertigung Gottes“ zu bringen.
Hier das ganze Referat als PDF-Dokument
Chur, 18. Mai 2015
Giuseppe Gracia
Beauftragter für Medien und Kommunikation